#35 Beziehungskunst – und das Streiten.

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Vor kurzem hat mir eine Klientin gefragt, ob ich denn nie mit meinem Mann streite? Sie kann sich das gar nicht vorstellen, dass ein Paar, dass schon Jahre zusammen ist, nicht streitet.

Nun, es gab schon Zeiten in unserer Beziehung und Ehe, die geprägt waren von Konflikten und Streits. Das waren die Phasen in unserer Partnerschaft, wo es hauptsächlich darum gegangen ist, gewissen Verpflichtungen zu erfüllen, unsere Verantwortungen zu übernehmen und unseren Ansprüchen gerecht zu werden.

Wir konnten uns für uns und unsere Bedürfnisse wenig Zeit nehmen, weil wir unseren Alltag dementsprechend gestaltet haben und es nicht viel Platz dafür gab. Der Alltag hat uns überrollt, mit den Anforderungen und den wenigen Momenten, die wir füreinander hatten. Manchmal haben wir uns darin verloren. Jeder für sich, aber auch im miteinander. Aus diesen Anspannungen sind dann die verbalen Auseinandersetzungen entstanden, die auch heftig ausgefallen sind und die eigentlich nur zeigten, wie belastet wir beide gerade waren und wie weit wir uns von uns selbst entfernt haben.

Wir haben einige sehr turbulente Abschnitte erlebt und einige Male hat sich unser Leben komplett auf den Kopf gestellt, kein Stein blieb auf dem anderen. Wir haben über vieles gestritten oder zumindest diskutiert, worüber man in einer Partnerschaft tatsächlich Differenzen haben kann - wenn man mag.

Das ist heute anders. Heute streiten wir selten. Wir diskutieren mal. Aber wann der letzte wirkliche heftige Konflikt war? Ich weiß es gar nicht mehr. Zwei Jahre? Drei Jahre?

Es hat sich ausgestritten im positivsten Sinn dieses Wortes. Wir kennen einander und haben beide Frieden als eine wertvolle Beziehungsqualität für uns gefunden. Friedlich sein im Miteinander ist uns wichtig, beiden gleichermaßen. Unabhängig voneinander hat sich das entwickelt. Weil wir genug Aufregungen, Unsicherheiten und Diskrepanzen erlebt haben. Im Zusammenleben, aber auch mit der Außenwelt. Frieden, nicht um jeden Preis, klar. Aber auch nicht streiten, nur um Recht zu haben. Oder eine Übellaunigkeit zu kompensieren. Oder sich einfach nur durchzusetzen.

Was uns hilft? Das älter werden und damit einhergehend die Relativierung der Dinge und Situationen. Und das uns das Wohl des anderen ähnlich wichtig ist, wie das eigene. Das schafft tiefes Vertrauen. Das schafft einen Raum, in dem wir gerne zusammen sind.  

Wir streiten nicht deshalb kaum, weil wir unsere Gefühle und Gedanken unterdrücken, sondern weil wir unsere Bedürfnisse kennen und sie nicht vom anderen abhängig machen. Weil wir uns mögen. Weil wir uns auch mögen, wenn wir schlecht drauf sind (dann halt mit etwas Abstand) und verknittert aussehen. Wenn wir muffig sind. Wir streiten wenig, weil wir unsere gemeinsame Zeit sehr schätzen. Wir streiten vor allem deshalb wenig, weil wir an dem Punkt, wo es sich entzünden könnte, innehalten. Innehalten und Abstand suchen, nachdenken und zu einem Standpunkt kommen. Und dann, wenn es wichtig bleibt zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal das Gespräch suchen.

Auseinandersetzung ist wichtig, weil sie klärt und zeigt, wo jemand steht. Je klarer die jeweiligen Beziehungspartner*innen sind, desto weniger heftig fallen diese Konflikte aus. Sich einander echt zu begegnen, geht manchmal nur mit starken Entladungen. Sie verlieren allerdings ihre Intensität und Kraft in der Beschäftigung mit sich selbst und den Beziehungsthemen.

 

 

© Barbara Güpner-Planner, M.A.

www.leben-als-kunst.at/beziehungsatelier